Zwei Reimgeschichten zum Vorlesen:

 

Der Buntfederspatz

Ein grauer Spatz will auch bunte Federn haben - so wie die Vögel im Zoo. Aber wie kann ihm das gelingen? Gar nicht so einfach (und am Ende vielleicht auch gar nicht so wichtig?)

 

Die Reise im Schuh

Käfer, Schnecke, Frosch und Maus entdecken einen alten Schuh auf der Wiese. Was für ein tolles Haus! Sie ziehen ein, aber leider bleibt der Schuh nicht im Gras liegen, sondern wandert weiter...

 

 

Der Buntfederspatz

 

Der kleine Spatz im Apfelbaum,

der hatte einen großen Traum.

Geflogen ist er durch den Zoo,

dort sah er Vögel, farbenfroh,

mit langen Federn, rot und blau,

schillernd wie der stolze Pfau

und grün wie Gras der Papagei -

dem Spatz kam`s vor wie Zauberei.

„Ach, könnte ich doch auch so sein,

nicht nur braun und grau, nein, nein!

Bunte Federn will ich tragen,

ja, dafür würd ich alles wagen!“

 

Der Spatz dachte nach und flog umher.

War bunt zu werden denn so schwer?

Er bog um die Ecke und sah eine Frau,

in der Hand einen Pinsel, die Haare grau.

Sie stand im Garten und malte ein Bild.

Da staunte der Spatz, sein Herz klopfte wild:

„So viele Farben, das ist`s, was ich brauch

und den Pinsel, ja, den hol ich mir auch!“

Er flatterte, pickte, die Malerin schrie,

und der Spatz flog fort, so schnell wie noch nie.

Mit dem Pinsel im Schnabel jauchzte er froh:

„Jetzt bin ich bald rosa wie ein Flamingooo!“

 

Zurück in seinem Apfelbaum

erfüllte der Spatz sich seinen Traum.

Den Pinsel spannte er zwischen die Äste,

er malte sich an und empfing seine Gäste.

Die Amsel erkannte ihn nicht wieder,

so fremd war er im rosa Gefieder.

„Kleiner Spatz, wie siehst du aus?

Leg das Kleid ab und komm raus!“

Der Spatz musste lachen und hüpfte umher,

doch ach, plötzlich regnete es sehr!

 

Plitsch, platsch, vom Himmel fiel das Wasser

und der Spatz wurd` immer nasser.

Die Farbe lief an ihm herunter,

Baum und Boden wurden bunter.

Nur an ihm, da blieb kein Fleck,

das war für den Spatz ein großer Schreck!

Braun und grau verschwand er im Nest

und aß von den Körnern den letzten Rest.

 

Am nächsten Morgen flog er wieder

um die Häuser, auf und nieder.

Er brauchte Farbe, die nicht verschwand,

und landete vor einer gläsernen Wand.

Ein Menschenfriseur verbarg sich dahinter,

den hatte der Spatz entdeckt im Winter.

Da wurden Haare geschnitten, geföhnt

und auch in einer anderen Farbe getönt.

„Das lass ich machen, das ist die Idee!

Ich färb mein Gefieder so grün wie Klee!“,

dachte der Spatz und flog hinein,

doch ach, es sollte nicht so sein.

Die Menschen erschraken und jagten ihn fort,

da floh er schnell an einen anderen Ort.

                                                                                                               Auf einem Spielplatz landete er

und sah etwas, das freute ihn sehr:

Bunte Federn, auf dem Kopf eines Jungen!

Schreiend war er vom Turm gesprungen.

Er spielte Indianer, trug eine Jacke aus Leder.

„Aus seinem Schmuck schnapp ich mir `ne Feder!“,

dachte der Spatz und pickte und zerrte,

doch wie heftig sich der Indianer wehrte:

Er beschoss ihn mit Pfeilen, oh nein, oh Schreck!

Da flog der Spatz schnell wieder weg.

 

Auf der Wiese sah er ein Mädchen sitzen.

Die Mutter daneben schnitt kleine Schnitzen

aus Obst und Gemüse, bunt und fein,

doch plötzlich schrie das Mädchen: „Nein!

Die Karotten ess` ich nicht,

sonst werde ich orange im Gesicht!“

Der Spatz horchte auf: Konnte das sein?

Wurde man rot von Tomaten und Wein?

Und grün, wenn man grünen Brokkoli aß?

Keine Ahnung, kein Tier, kein Spatz wusste das!

Er schnappte die Rübe und wollt` es versuchen,

verschlang die Karotte so schnell wie ein Kuchen.

Doch nein, das Mädchen hatte nicht Recht!

Der Spatz wurd` nicht bunt, dafür war ihm schlecht.

Allein und grau, nicht orange und nicht rot:

Ein kleiner Vogel in großer Not.

 

Der Spatz hatte Bauchweh, er konnte kaum fliegen

und wollt doch so gern in seinem Spatzennest liegen.

Er flatterte und fiel auf ein Fensterbrett,

das war hart und nicht weich wie sein eigenes Bett.

Doch müd` blieb er sitzen und ruhte sich aus,

da hörte er plötzlich ein Piepsen im Haus.

Das Fenster stand offen, er schaute hinein:

Ein Vogel! Gelb wie der Sonnenschein!

In einem Käfig sang er ein trauriges Lied,

das viel von seinen Sorgen verriet:

„Ich sitz auf der Stange und kann nichts tun,

ich würd gern fliegen, muss aber ruhn`,

hinter den Stäben, tagein, tagaus,

weil ich so schön bin, darf ich nicht raus.

Man will mich anschaun`, mein gelbes Gefieder.

So gern wär ich grau, denk ich immer wieder.“

              

Der Spatz erschrak über diese Klagen.

„Hinter Gittern seit so vielen Tagen!

Schlimm ist das, oh Schreck, oh nein,

wie bin ich froh, nur braun zu sein!“

Und er pickte am Käfig und ließ ihn raus,

den gefangenen Vogel, der flog hinaus

und lachte, piepste und flatterte froh

mit seinen Flügeln, so gelb wie Stroh.

Zum Dank gab er dem Spatz eine Feder,

eine glänzend schöne – die hatte nicht jeder.

„Schon gar nicht die Amsel!“, meinte der Spatz

und hütete sie wie einen wertvollen Schatz.

 

So hatte der Spatz nun beides gefunden:

Einen neuen Freund, mit dem flog er Runden

über Stadt und Land, durch Wald und Feld,

denn sie wollten viel sehen von der Welt.

Und eine gelbe Feder für sein Gefieder,

die trug der Buntspatz hin und wieder,

wenn er sang und tanzte zwischen Ästen,

auf Reisen und auf Vogelfesten.

 

Und jeden Abend, da flog der Spatz heim,

deckte sich zu und rollte sich ein,

in seinem Nest im Apfelbaum,

und träumte einen neuen Traum.

 

Die Reise im Schuh

 

Auf der Wiese hinterm Hof, da lag ein alter Schuh.

Ein kleiner Käfer kam vorbei und dachte sich: Nanu?

Kaputt und ganz allein, ein Loch ist auch zu sehn`,

der Schuh wird – wie es scheint – keinen Weg mehr gehn`.

Der Käfer krabbelte hinein, er sah sich um und staunte.

Dann lud er seine Freunde ein, es quakte, piepste, raunte:

„Hier könnten wir doch wohnen! Hier haben alle Platz

und wir sind gut geschützt, vor Regen, Wind und Katz.“

 

So zogen sie ein in ihr neues Haus,

Käfer, Schnecke, Frosch und Maus.

Sie bauten sich Betten aus Gras und Moos.

Ja, in dem Schuh, da war was los!

Jeden Tag wurde gespielt und gelacht

und auch eine Menge Unsinn gemacht.

„Wie gut es uns geht“, meinte die Maus

und alle nickten: Sie liebten ihr Haus!

 

Doch plötzlich war es vorbei mit der Ruh`:

Ein Hund kam vorbei und packte den Schuh!

In seinem Maul trug er ihn fort.

„Wohin denn nur, an welchen Ort?“,

fragte voll Angst die gelbe Schnecke,

fiel um und rollte in die Ecke.

Sie schwankten hin und wieder her

und fühlten sich wie auf dem Meer.

„Seekrank, ja, das werde ich gleich“,

quakte der Frosch und war schon ganz bleich.

 

Da hörten die Freunde einen Schrei

und mit dem Geschaukel war`s endlich vorbei.

Der Bauer rief den Hund zu sich,

der bellte nun ganz fürchterlich

und ließ ihn fallen, den alten Schuh.

Der Bauer nahm ihn und dachte: „Nanu?

Was macht das alte Ding noch hier?

Hinaus in den Müll und fort von mir!“

Und er stopfte den Schuh in eine Tonne,

die stand an der Straße, in der Sonne.

 

Die vier Freunde wagten sich vorsichtig raus

und sahen sich um: Oh, welch ein Graus!

Stinkender Abfall, Scherben, Dreck.

„Ach, hier komme ich niemals weg“,

klagte die Schnecke und weinte leis`.

„Ich bin zu langsam, die Sonne zu heiß.

Ich bleibe hier, im schattigen Schuh,

aber ihr müsst fliehen – lauft, nur zu!“

„Wir lassen dich doch nicht allein“,

rief der Käfer und die Maus stimmte ein:

„Auf keinen Fall, wir gehen nicht fort.

Wir halten zusammen, an jedem Ort.“

 

Da freute sich die gelbe Schnecke

und kroch aus ihrer dunklen Ecke.

Was für ein Glück, solche Freunde zu haben,

die einem Mut und Hoffnung gaben!

„Ich dank euch von Herzen, ihr lieben drei,

und weiß genau: Es ist nicht vorbei.

Unsere Reise geht weiter, es muss nur gelingen,

den Schuh wieder auf den Boden zu bringen.“

 

„Ich hab `ne Idee!“, rief da plötzlich die Maus

und kletterte schnell aus dem Schuh heraus.

Die Maus lief zum Hof und suchte die Katze.

Da war sie schon! Sie streckte die Tatze,

sprang auf und jagte der schlauen Maus nach -

und was dann folgte, war nichts als Krach:

Die Katze stieß die Tonne um und alles fiel heraus,

der Schuh lag auf der Straße nun. Wer lachte da?

Die Maus!

 

Doch bleiben konnten sie auf der Straße nicht,

da war nur Asphalt, keine Wiese in Sicht.

„Hier gibt es Autos und Traktoren,

die brummen schon in meinen Ohren.

Und da vorne, seht, da kommt ein Rad!“

Der Frosch war sich sicher: „Das Ende, es naht.“

Doch der Radfahrer bremste, fiel hin und schrie:

„Was macht das Ding hier? Jetzt blutet mein Knie!“

Und er packte den Schuh, warf ihn wütend fort.

 

Weißt du, wo er landete, an welchem Ort?

 

Auf einem grünen Apfelbaum - weit oben, ach, oh je!

„Bis wir da wieder unten sind, fällt der erste Schnee“,

brummte der Käfer und verzog das Gesicht.

Ein Baumhaus, nein, das wollten sie nicht.

Die Schnecke seufzte, der Frosch tat`s ihr gleich.

Er vermisste die Wiese, er vermisste den Teich.

„Ich kann doch nicht klettern“, quakte er leise

und war sehr traurig über den Verlauf ihrer Reise.

 

Kra-ra! Da flog ein Rabe auf ihren Ast.

Es wackelte sehr, zu groß war die Last.

Der Schuh kippte um, fiel hinunter und rollte

den Hügel hinab, er stolperte, holperte

und kam zum Stehen im hohen Gras,

beschützt vom Holunder – das war doch was.

Weg von der Straße und nahe am Teich,

der moosige Boden grün und weich.

„Wo sind wir gelandet?“, fragte die Maus

und staunend sahen die Freunde hinaus,

entdeckten Blumen in der Sonne,

Nüsse am Strauch und keine einzige Tonne.

Da lachten sie alle, der Frosch rief: „Hurra!“

und der Käfer summte: „Wir sind endlich da,

am Ziel unsrer Reise, am schönsten Ort!

Hier bleiben wir, ja, hier gehn` wir nicht fort.“

Und sie feierten laut und feierten lang,

mit Tanz, Musik und viel Gesang

in ihrem Haus, dem geliebten Schuh,

und am Ende des Tages war endlich Ruh`.